
Der Cochlea Implantat Verband NRW e.V. (CIV NRW) hat Geburtstag. In diesem Jahr feiern die Mitglieder das 25-jährige Bestehen des Selbsthilfe-Verbands mit Sitz in Hagen. Wir nehmen den Internationalen CI-Tag am 25. Februar zum Anlass und gratulieren der 1. Vorsitzenden, Marion Hölterhoff zu diesem Jubiläum. Im Gespräch mit Michael Kalthoff-Mahnke vom KSL-MSi-NRW blickt sie zurück auf ein bewegtes Vierteljahrhundert und schaut optimistisch in die Zukunft.
Michael Kalthoff-Mahnke: Herzlichen Glückwunsch, Frau Hölterhoff! Der CIV NRW, dem Sie vorstehen, wird in diesem Jahr 25 Jahre alt. Sicher werden Sie dieses Ereignis gebührend feiern. Verraten Sie uns, was auf dem Programm steht und auf was wir uns freuen können?
Marion Hölterhoff: Am 21. Juni feiern wir unser 25-jähriges Jubiläum in der Stadthalle Hagen. Wir freuen uns sehr, dass sich schon viele Betroffene und Wegbegleiter angemeldet haben, um mit uns dieses Ereignis zu begehen. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann hat die Schirmherrschaft übernommen und Claudia Middendorf, Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen und Patienten und Patientinnen, wird uns den ganzen Tag begleiten. Nach den Grußworten werden Professor Jonas Park aus der Klinik in Hagen und Andre Morsnowski, Klinik Holweide in Köln, zwei Vorträge zu den Chancen und dem Nutzen, die das Cochlea Implantat bietet, halten. Danach werden wir die Entwicklung des CIV NRW e.V. und seiner Abteilungen in lockerer Form vorstellen. Unsere CI-Kids werden ihren großen Auftritt zusammen mit dem Liedermacher Martin Bischoff haben.
Parallel findet den ganzen Nachmittag eine große Ausstellung der Hersteller und Zubehörfirmen statt. Hörakustiker und wichtiger Institutionen, die sich für die Interessen der Menschen mit Hörbeeinträchtigung einsetzen werden mit Informationsständen vertreten sein. Am Abend werden die Gäste mit einem großen Buffet verwöhnt. Und dann werden wir natürlich gemeinsam feiern. Die Murzarella-Show wird uns mit (bauch)-singenden Puppen verzaubern. Der ganze Tag steht unter dem Motto „Bewegende Begegnungen“.
Wenn Sie zurückschauen: Wie haben sich die CI-Technik und -Anwendungen, aber auch die CI-Menschen entwickelt beziehungsweise verändert?
Das CI gibt es in Deutschland seit über 40 Jahren und sollte in seinen Anfängen den Menschen ermöglichen wieder Sprache zu verstehen und mit ihren Mitmenschen kommunizieren zu können. Zu Anfang durften nur Menschen ein CI implantiert bekommen, die beidseitig taub waren. Erst zirka 2009 stellten Gerichtsurteile das Recht auf beidseitiges Hören fest. Seitdem dürfen auch einseitig Ertaubte implantiert werden.
War zu Anfang vor allem Sprachverstehen das Ziel, so haben sich die Ansprüche der Betroffenen verändert. Viele Betroffene möchten heute auch Musik wieder genießen können. Mit der neuen Generation der Sprachprozessoren wird auch die Welt der Musik wieder leichter wahrnehmbar, bleibt aber die Königsdisziplin. Die Weiterentwicklung des Cochleaimplantates ermöglicht mit der neuen Technologie direktes Streamen und ist bereits auf das zukünftige Auracast (Anmerkung: eine neue Bluetooth-Funktion, die Audioerlebnisse ermöglicht) vorbereitet.
Eine weitere wichtige Entwicklung sind die neuen CI-Leitlinien. Hier wurden die Grenzen der Indikation für ein CI wesentlich höher gesetzt. Hatte man früher die Indikation bei 30 Prozent Sprachverstehen mit Hörgerät, so liegt sie heute bei 60 Prozent. Die Ergebnisse zeigen, dass dies eine richtige Entscheidung war. Die Menschen kommen viel schneller ins Sprachverstehen als früher, weil sie eine bessere Spracherinnerung haben.
Wie hat sich der CI-Verband in den letzten Jahren verändert. Vor welchen Herausforderungen steht das CI insgesamt und Ihr Verband insbesondere in der näheren und weiteren Zukunft?
In den letzten Jahren ist unser Verband ständig gewachsen. Zählte er 2018 noch knapp über 200 Mitglieder, so stehen wir kurz davor, das 600. Mitglied begrüßen zu dürfen. Für das Mitgliederwachstum sehe ich mehrere Gründe. Zum einen bieten wir viele Seminare an, die den Betroffenen helfen, sich mit ihrer Hörbeeinträchtigung auseinanderzusetzen, Kommunikationsstrategien zu erlernen, die ihnen helfen, den Alltag besser zu meistern, genauso wie eine effektivere Nutzung ihrer Technik. Hier besteht ein enormer Bedarf, der sich in den stets ausgebuchten Seminaren zeigt.
Wir versuchen aber auch, den Betroffenen Musik wieder näher zu bringen. Zum anderen ist es uns gelungen, durch die Bildung der Abteilungen Junge Selbsthilfe und CI-Kids und damit verbundene neue Formate und Angebote, eine völlig neue Klientel in den Verband einzubinden. Der Verband verjüngt sich dadurch stetig. Junge Menschen finden zur Selbsthilfe, Eltern haben eine Austauschplattform und die CI-Kids erleben, dass es auch andere Kinder gibt, die wie sie „Zauberohren“ haben. Weiterhin hat der Verband seine Öffentlichkeitsarbeit ausgeweitet und ist u.a. auch in den neuen Medien vertreten, auf Messen präsent und hat ein weites Netzwerk aufgebaut.
Welche Ziele und Maßnahmen leiten Sie daraus für Ihren Verband ab und wie wollen Sie diese umsetzen?
Als CI-Verband haben wir diese Entwicklungen im Bereich des CI immer begleitet und sind auch politisch sehr aktiv. Wichtige Themen der Zukunft sind eine gute Inklusion auch der hörbeeinträchtigten Schüler und Schülerinnen, die Barrierefreiheit für Hörbeeinträchtigte im öffentlichen Raum, die Partizipation am gesellschaftlichen und politischen Leben und eine gesicherte Versorgung im Gesundheitssystem auch in der momentan finanziell angespannten Lage.
Ein wichtiges Thema dabei ist die finanzielle Absicherung der Nachsorge, auch durch die Akustiker. Hier brauchen wir zuverlässige Verträge zwischen Kliniken, Akustikern und Krankenkassen. Wünschenswert wäre für NRW, dass es auch vergleichbare stationäre CI-Rehas für Kinder gibt, wie sie im Erwachsenenbereich Standard sind. Auch ein regelmäßiger Austausch für CI-Kids verbunden mit einem spielerischen Empowerment ist ein wichtiges Ziel für die Zukunft.
Zum Geburtstag gib es normalerweise Geschenke. Was wäre Ihr Herzenswunsch für das CI, die Menschen und Ihren Verband?
Mein Herzenswunsch wäre, dass es uns gelingt, das CI bekannt wie einen Herzschrittmacher zu machen und so vielen Menschen zu einer besseren Lebensqualität zu verhelfen. Ich habe gerade dazu ein bewegendes Statement bekommen. Eine potenzielle CI-Kandidatin schrieb mir Folgendes: „Ich muss mich grundsätzlich entscheiden, ob ich das ruhige und zurückgezogene Leben, das ich habe, weiterführen will, oder die Chance ergreife, mehr zu hören und dadurch auch mehr am Leben außerhalb unserer vier Wände teilzunehmen. Mir ist bewusst, dass durch ein CI das Hören dauerhaft ein Thema für mich sein würde. Das ist für mich momentan nicht der Fall.“ Und genau diese Teilhabe am Leben ermöglicht das CI vielen Menschen.
Der Cochlea Implantat (CI)- Selbsthilfe Verband für NRW
- ist ein Forum rund um das CI,
- informiert CI-Kandidat*innen,
- kooperiert mit regionalen CI-Kliniken und Selbsthilfegruppen,
- berät bei der Neugründung von CI-Selbsthilfe-Gruppen (CI SHG),
- macht Öffentlichkeitsarbeit und fordert Barrierefreiheit für Hörbeeinträchtigte,
- führt fachbezogene Seminare und Veranstaltungen durch und
- erledigt viele weitere Aufgaben für Hörbeeinträchtigte, CI-Träger und deren Angehörige.
Weitere Informationen zum CIV NRW e.V.: www.civnrw.de

Marion Hölterhoff (links) und Daniel Aplas (Mitte) vom CIV-Vorstand beim Besuch im NRW-Landtag im Austausch mit dem Präsidenten des NRW-Landtags, André Kuper (rechts). Foto: KSL-MSi-NRW